June 4, 2025
Eine Immobilienbewertung kann auf verschiedene Weise erfolgen – je nach Art der Immobilie, Verwendungszweck und Marktsituation. Die Wahl des Bewertungsverfahrens hat direkten Einfluss auf das Ergebnis und die Aussagekraft des Gutachtens. In Deutschland sind drei Methoden offiziell anerkannt: das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren.
1. Vergleichswertverfahren – Marktpreis basierte Bewertung
Anwendung: Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser, Standardimmobilien
Das Vergleichswertverfahren basiert auf realen Verkaufspreisen ähnlicher Objekte in vergleichbarer Lage. Das Verfahren ist besonders marktnah, da es den tatsächlich erzielbaren Preis widerspiegelt.
🔹 Wie funktioniert es?
- Es werden ähnliche Immobilien in der Umgebung analysiert.
- Faktoren wie Lage, Größe, Baujahr, Zustand und Ausstattung werden berücksichtigt.
- Preisunterschiede zwischen Referenzobjekten und Bewertungsobjekt werden durch Zu- oder Abschläge angepasst.
📌 Vorteile: Hohe Markttransparenz, realitätsnahe Einschätzung
⚠️ Nachteile: Abhängig von verfügbaren Vergleichsdaten, bei einzigartigen Objekten schwer anwendbar
Beispiel: Eine 80m²-Wohnung in einer Großstadt wird anhand der Verkaufspreise ähnlicher Wohnungen im gleichen Viertel bewertet.

2. Ertragswertverfahren – Renditebasierte Bewertung
Anwendung: Vermietete Wohn- und Gewerbeimmobilien
Das Ertragswertverfahren kommt zum Einsatz, wenn eine Immobilie zur Kapitalanlage dient und ihre Wertentwicklung von den Mieteinnahmen abhängt. Hierbei steht der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund.
🔹 Wie funktioniert es?
- Die Nettokaltmiete der Immobilie wird ermittelt.
- Die Bewirtschaftungskosten (Verwaltung, Instandhaltung, Leerstandsrisiko) werden abgezogen.
- Der verbleibende Reinertrag wird mit einem Kapitalisierungsfaktor (Liegenschaftszinssatz) multipliziert, um den Ertragswert zu berechnen.
📌 Vorteile: Relevante Methode für Investoren, klare Renditeberechnung
⚠️ Nachteile: Marktveränderungen können die zukünftige Rendite beeinflussen
Beispiel: Ein Mehrfamilienhaus mit 6 vermieteten Wohnungen wird auf Basis der zu erwartenden Mieteinnahmen und der aktuellen Renditeanforderungen bewertet.
3. Sachwertverfahren – Kostenbasierte Bewertung
Anwendung: Eigengenutzte Einfamilienhäuser, Sonderimmobilien (Schulen, Kirchen)
Das Sachwertverfahren berechnet den Wert einer Immobilie auf Basis der Baukosten und des Grundstückswerts. Es wird oft angewendet, wenn keine geeigneten Vergleichswerte oder Mieteinnahmen vorliegen.
🔹 Wie funktioniert es?
- Der Bodenwert wird anhand von Bodenrichtwerten bestimmt.
- Die Baukosten für das Gebäude werden berechnet, abzüglich einer Alterswertminderung.
- Grundstücks- und Gebäudewert werden addiert, um den Gesamtwert zu ermitteln.
📌 Vorteile: Objektive Wertermittlung, sinnvoll bei individuell genutzten Immobilien
⚠️ Nachteile: Markttrends und Nachfrage werden weniger berücksichtigt
Beispiel: Ein freistehendes Einfamilienhaus wird nach Baukosten und Grundstückswert bewertet, da es keine vergleichbaren Objekte in der Umgebung gibt.
4. Residualwertverfahren – Bewertung für Projektentwicklungen
Anwendung: Unbebaute Grundstücke mit Entwicklungspotenzial
Das Residualwertverfahren wird genutzt, um den maximal wirtschaftlich sinnvollen Kaufpreis für ein Grundstück zu bestimmen. Es ist besonders für Investoren und Bauträger interessant.
🔹 Wie funktioniert es?
- Der mögliche Verkaufspreis nach Fertigstellung des Bauprojekts wird geschätzt.
- Die gesamten Baukosten, Nebenkosten und eine angemessene Marge werden abgezogen.
- Der verbleibende Wert entspricht dem maximalen Grundstückswert.
📌 Vorteile: Ideal für Projektentwicklungen, ermittelt den maximal rentablen Kaufpreis
⚠️ Nachteile: Stark abhängig von Marktprognosen und Baukostenentwicklungen
Beispiel: Ein Investor plant ein Mehrfamilienhaus. Der erwartete Verkaufserlös beträgt 5 Mio. €, die Baukosten 3 Mio. €. Der Residualwert des Grundstücks liegt bei 2 Mio. €.

5. Beleihungswertverfahren – Wertermittlung für Banken
Anwendung: Immobilienfinanzierung und Kreditvergabe
Das Beleihungswertverfahren wird von Banken verwendet, um den nachhaltigen Wert einer Immobilie als Sicherheit für Kredite zu bestimmen. Es ist konservativer als der Verkehrswert.
🔹 Wie funktioniert es?
- Langfristige Wertstabilität steht im Fokus, nicht der aktuelle Marktpreis.
- Sicherheitsabschläge werden vorgenommen, um Marktschwankungen zu berücksichtigen.
- Der Beleihungswert liegt oft unter dem Verkehrswert.
📌 Vorteile: Risikominimierung für Banken, konservative Schätzung
⚠️ Nachteile: Oft niedriger als der Marktpreis, begrenzte Aussagekraft für private Verkäufer
Beispiel: Eine Bank setzt den Beleihungswert einer Immobilie auf 80 % des geschätzten Marktwerts, um ein Darlehen abzusichern.
Welche Methode ist die richtige?
📌 Gutachter entscheiden je nach Objekt und Bewertungszweck, welche Methode angewendet wird. Häufig werden mehrere Verfahren kombiniert, um den realistischsten Wert zu ermitteln.
6. Liquidationswertverfahren – Bewertung für Notverkäufe
Anwendung: Zwangsversteigerungen, Insolvenzen, Notverkäufe
Das Liquidationswertverfahren bestimmt den Verkaufspreis unter Zeitdruck. Es berücksichtigt den Wert, der innerhalb einer kurzen Frist erzielt werden kann, oft mit hohen Abschlägen.
🔹 Wie funktioniert es?
- Ausgangspunkt ist der Verkehrswert der Immobilie.
- Je nach Marktlage und Verkaufsdruck werden Abschläge von 10 – 50 % vorgenommen.
- Faktoren wie Zwangsversteigerung, wirtschaftliche Lage oder eingeschränkte Käufergruppen beeinflussen den Preis.
📌 Vorteile: Realistische Einschätzung für Banken und Insolvenzverwalter
⚠️ Nachteile: Starker Preisabschlag, oft unter Marktwert
Beispiel: Eine Immobilie mit einem Verkehrswert von 500.000 € soll innerhalb weniger Wochen verkauft werden.
- Bei einer angespannten Marktlage und hohem Verkaufsdruck wird ein Abschlag von 30 % angesetzt.
- Liquidationswert = 500.000 € – 30 % = 350.000 €
Fazit
Die Wahl des Bewertungsverfahrens hängt davon ab, ob eine Immobilie verkauft, finanziert oder entwickelt werden soll. Während das Vergleichswertverfahren marktnah ist, orientiert sich das Ertragswertverfahren an Renditen, das Sachwertverfahren an Baukosten und das Beleihungswertverfahren an langfristiger Sicherheit.